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Was die Wenigsten wissen ist, dass nicht nur bei Verkehrsunfällen mit relativ neuen Fahrzeugen in bestimmten Schadensfällen ein Ersatz des sogenannten merkantilen Minderwerts gebührt, sondern auch bei neuen Gebäuden, an denen z.B. aufgrund von Baumängeln ein erheblicher Schaden entsteht.
Es geht also um die Frage, inwieweit der Eigentümer der Immobilie Anspruch auf Ersatz einer Wertminderung hat, obwohl das Gebäude professionell repariert worden ist und objektiv gesehen kein Schaden mehr vorhanden ist.
Am einfachsten erklären lässt sich der sogenannte merkantile Minderwert am Beispiel eines beschädigten Kfz. Ein solches kann trotz fachmännischer Werkstattreparatur als „Unfall-Auto“ weniger wert sein als zuvor. Diese Wertminderung nennt man merkantilen Minderwert. Aber nicht nur sogenannte „Unfall-Autos“ sind von diesem Phänomen betroffen, sondern auch Immobilien.
Trotz der fachmännischen und vollständigen Behebung von Schäden am Gebäude ist es möglich, dass für die Immobilie letztendlich am Markt aufgrund eines vorangegangenen Kapitalschadens nicht mehr derselbe Preis erzielbar ist, der ohne das Schadenereignis für die Immobilie bezahlt worden wäre.
Das ist darauf zurückzuführen, dass potenzielle Käufer idR nicht bereit sind, den Kaufpreis in gleicher Höhe zu entrichten, den sie ohne den Vorschaden bezahlt hätten. Es geht um eine gefühlsmäßige Abneigung bzw. ein Misstrauen der Käufer, da befürchtet wird, dass noch verborgene Mängel bestehen bzw. nicht alle tatsächlichen Schäden behoben worden sind. Auch wenn diese Abneigung keine objektive Grundlage hat, weil eben alles ordnungsgemäß repariert wurde.
Die Wertminderung stellt etwa bei schuldhafter Mangelverursachung durch einen Professionisten, aber auch im Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes einen ersatzfähigen Schaden dar.
Ich konnte in einem Prozess gegen einen Italienischen Badarmaturenhersteller für einen Klienten einen namhaften Betrag als Abgeltung der merkantilen Wertminderung infolge eines Wasserschadens erstreiten:
Dabei ging es um einen Kapitalschaden am Neubau der Mandantschaft, der infolge eines Haarrisses an einer eingebauten Standarmatur unter Bodenniveau entstanden ist. Das Austreten des Wassers blieb lange Zeit unbemerkt, bis es zu einer massiven Durchfeuchtung der Fußböden- und Wandkonstruktionen des neu errichteten Wohnhauses kam. Die Schäden waren so massiv, dass sogar ein Abriss des Hauses in Erwägung gezogen worden ist. Letztlich wurden die Schäden im Zuge einer umfassenden Sanierung vollständig behoben, dennoch verblieb eine Wertminderung.
Voraussetzung des Ersatzanspruches ist u.a., dass der Schaden an der Immobilie nicht unwesentlich ist. Eine konkrete Verkaufsabsicht des Eigentümers ist nicht erforderlich.
Wie hoch ist der Anspruch?
Nach der Rechtsprechung des OGH kann die Höhe der Wertminderung bis zu 20 Prozent des am Markt gewöhnlich erzielbaren Wertes der Immobilie betragen.
Die Höhe des Anspruchs ist von drei Kriterien abhängig:
- Die merkantile Wertminderung steht im Verhältnis zur Höhe der Reparaturkosten: Je höher diese sind, desto höher ist der Anspruch auf Abgeltung der merkantilen Wertminderung.
- Zeitkomponente: Je größer der Zeitraum zwischen Gebäudereparatur und Schadensfreiheit ist, umso weniger gefühlsmäßige Abneigung (Misstrauen) stellt sich bei potenziellen Käufern ein. Je früher der Schaden geltend gemacht wird, um so höher der Anspruch!
- Je jünger die Immobilie ist, desto höher ist die Wertminderung.
Im Ergebnis musste der Schädiger den Liegenschaftseigentümern neben den eigentlichen Sachschäden ca. 15 % des Verkehrswertes des Gebäudes an Schadenersatz bezahlen!